Die Anstechmethode zur Schwerpunktoptimierung

 

Die Bestimmung des richtigen Schwerpunkts ist beim Nurflügel besonders wichtig, denn dessen Lage bestimmt stark die Flugleistungen und Flugeigenschaften des Modells. Ein Unterschied von wenigen Gramm kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Die korrekte Schwerpunktlage kann mit der Anstechmethode auf einfache Weise überprüft werden.

 

Nachdem der Schwerpunkt gemäß der Bauanleitung voreingestellt ist und die Ruder sich in Neutralstellung befinden, sollte dein Modell einen geraden Gleitflug machen (wenn nicht, lies bitte den Bautipp zu den Rudereinstellungen). So kannst du das Modell zuerst etwas kennenlernen und fliegen.

 

Wenn es gut trägt und dein Modell eine gute Ausgangshöhe gewonnen hat, ist es an der Zeit, den optimalen Schwerpunkt zu suchen. Dieser ist bei jedem EPP-Modell etwas anders und muss für den eigenen "Geschmack" erflogen werden. Das Ziel ist, den Schwerpunkt soweit wie möglich nach hinten zu legen, jedoch ohne das gefährliche Unterschneiden, zickige Ruderreaktionen oder frühe Strömungsabrisse zu bekommen.

 

Zuerst das Modell so trimmen, dass es schön gleitet (also nicht zu langsam ist und Strecke macht, jedoch ohne zu rasen und dabei viel Höhe zu verlieren). Dieses trimmen ist sehr wichtig, denn ein falsch getrimmtes Modell führt zu falschen Ergebnissen!

Nach jeder Veränderung des Schwerpunktes MUSS die Neutralstellung der Ruder neu eingestellt werden, bevor die nächsten "Testflüge" gemacht werden,  sonst stimmt das Ergebnis nicht. Die Veränderung der Neutralstellung ist aber oft nur eine Zacke an der Trimmung oder weniger. Hier hilft es, wenn die Trimmung verfeinert werden kann, manche Sender bieten die Funktion "Trimmweg-Reduzierung"  oder ähnlich, an.


So wird der Schwerpunkt im Flug getestet:
 

Beim Gleitflug gegen den Wind in ausreichender Höhe kurz und kräftig Tiefe drücken (= anstechen), den Steuerknüppel wieder loslassen und das Modell genau beobachten:

  • Das Modell fängt sich schnell wieder ab und pumpt oder loopt -> der Schwerpunkt ist zu weit vorn. Vorne etwas Gewicht entnehmen, neu  austrimmen und erneut den Schwerpunkt prüfen.
  • Es wird immer schneller und saust immer steiler nach unten (es unterscheidet > gefährlich > das Modell vorsichtig, aber konsequent abfangen) -> der Schwerpunkt ist zu weit hinten. Vorne Gewicht zugeben, neu austrimmen und wieder testen.
  • Es fliegt in gleichem Winkel weiter oder fängt sich in großem Bogen sanft ab: Der Schwerpunkt ist nahe dem Punkt der größten Leistungsfähigkeit. Wenn das Modell an diesem Punkt zu giftig auf das Höhenruder reagiert oder zu Strömungsabrissen neigt, sollte vorne etwas Blei rein.

Jetzt magst du dir denken: "Moment mal, was erzählt der da vom Schwerpunkt? Da stimmt was nicht, das muss genau anders herum sein - wenn das Modell zu steil runtergeht, ist es doch vorne zu schwer, oder?". Sorry, aber was oben steht, stimmt!  Ich erklär`s euch:
 

Wir haben das Modell vor dem Test auf gute Gleitleistung getrimmt. Ein kopflastiges Modell (wenn der Schwerpunkt zu weit vorne liegt) wird durch stärker hochgestellte Ruder auf Gleitkurs gehalten. Wenn es nun nach dem anstechen schneller fliegt, wirken die Ruder durch die höhere Fluggeschwindigkeit stärker und das Modell bäumt sich auf, bis die Überfahrt aufgebraucht ist, meistens pumpt es danach weiter.
Wenn dagegen das Modell hecklastig war (also der Schwerpunkt ist zu weit hinten), haben wir dieses durch eine tiefere Ruderneutralstellung ausgeglichen. Diese Ruderstellung bewirkt das Unterschneiden im Schnellflug, das Modell stürzt immer steiler, u.U. bis zum Rückenflug. 
Der Extremtest:
Wenn es senkrecht runtergeht, ist der Schwerpunkt des Modells ganz egal, doch die Ruderstellung muss perfekt zum Profil stimmen, das cm0 (Profilmoment) ist hier = 0 (siehe die beiden kleinen Grafiken, fg = Gewichtskraft).

Je nach Modellart und Flugaufgabe können auch verschiedene Schwerpunktlagen notwendig sein, Bretter sind hier empfindlicher als Pfeile: Bei turbulenter Luft oder Flügen in großer Entfernung sollte der Schwerpunkt etwas weiter vorne liegen, um das Modell stärker zu stabilisieren. Die beste Gleitleistung und Speed erreicht man dagegen bei weiter hinten liegendem Schwerpunkt. Führe diesen Test bei verschiedenen Wetterbedingungen durch, um einen optimalen Kompromiss zu finden. Es kann sein, dass es keinen optimalen Schwerpunkt für alle Gegebenheiten gibt. In so einem Fall nehme ich ca. 2-5g Blei, die ich entweder vorne, hinten oder gar nicht in kleine Schlitze im Rumpf stecke.

Weitere Indikatoren, um den Schwerpunkt zu überprüfen, sind:

  • Das negative Wendemoment (der Rumpf zeigt vor allem beim Einleiten einer Kurve zur Kurven-Außenseite) kann durch etwas Vorverlagerung des Schwerpunktes (oder Querruder-Differenzierung) verkleinert werden.
  • Schlechte Annahme der Thermik oder das Modell fällt beim Kreisflug stark in die Kurve kann auf einen zu weit vorn liegenden Schwerpunkt hindeuten.
  • Übersensible Höhenruder liegen manchmal an einem zu weit hinten liegenden Schwerpunkt. Achtung: Bretter brauchen meist nur sehr kleine HR-Ausschläge von wenigen mm, die Querruder dagegen brauchen die üblichen Ausschläge. Für kombinierte Ruder heißt das eine Reduzierung der HR-Funktion auf 20-50% der QR-Werte, je nach Modellart (Brett, Pfeil)
  • Frühe Strömungsabrisse liegen nicht primär an der falschen Schwerpunktlage, aber durch einen zu weit hinten liegenden Schwerpunkt werden die Ruder nach unten "vertrimmt" - und erst diese Ruderstellung führt zu falscher Auftriebsverteilung und damit zu frühen Abrissen der Strömung am Außenflügel, das Modell gerät zu schnell ins Trudeln. Achtung: Auch zu große Ruderausschläge können dieses Verhalten bewirken.

Ihr seht, es gibt keinen Grund, viel Flugspaß zu verschenken und es ist auch gar nicht so schwer, sein Modell auf gute Flugleistungen abzustimmen.  Ich wünsche dir viel Erfolg beim Einstellen des optimalen Schwerpunktes.